Vielleicht kennst du das noch von früher: Ziemlich weit raus in die Natur, Landschaft atmen. Am Besten frühmorgens, noch vor dem Frühstück, wenn die Luft unverbraucht, die Umgebung still und du selbst irgendwie noch ganz bei dir bist.
Mein Zuggerät zieht mich über die Wirtschaftswege des Rheinhessischen Hügellandes, das von Italo-Affinen gerne die Toskana Deutschlands genannt wird. Nicht ganz zu unrecht.
Die Sonne lässt den Tag noch etwas auf sich warten, dreht sich bestenfalls verschlafen noch einmal auf die Seite während mein Zuggerät ungefragt vom kühlen Morgennebel eingelullt wird. Es ist herrlich, genau jetzt in diesem Moment zu sein.
Es gibt Dinge, denen bringst du immer eine Art Dankbarkeit entgegen, wenn du sie gebrauchst. Bei mir ist es zum Beispiel mein Mac Book oder die Espresso-Maschine, obwohl sie mir viel zu oft ENTKALKEN entgegen brüllt. Mein Zuggerät – du ahnst es – gehört mittlerweile auch zu meinen Favoriten. Was bin ich froh, dass ich mein Elektro-Huhn satteln kann!
Ok, lange Rede … Ich war mit Zuggerät und Rollstuhl unterwegs und hatte – wie fast immer – meine Kamera mit. Das sind die Bilder dieses Morgens:
HandiCaptain.de greift relevante Themen für Menschen mit Behinderung auf und berichtet darüber. Wenn du Fragen oder Anmerkungen hast, freue ich mich über deinen Kommentar oder deinen Kontakt.
Brachte man vor ein paar Jahren die Begriffe „Elektro“ und „Rollstuhl“ zusammen, landete man beim Elektrorollstuhl. Heute ist die Elektromobilität für Rollstuhlfahrer vielfältiger. Mittlerweile gibt es zahlreiche Hersteller von Zuggeräten und E-Handbikes. Die Geräte sehen oft cool aus und bieten dem Nutzer eine ganze Reihe Vorteile (je nach Ausführung):
Das Zuggerät kann im PKW verladen werden.
Das Zuggerät (mit großem Rad) ist recht geländegängig.
Der Aktivrollstuhl bleibt mit abgekoppeltem Zuggerät klein und wendig.
Mit dem Aktivrollstuhl sind Barrieren teilweise überwindbar.
Der Nutzer bleibt durch die aktive Bewegung besser in Form.
Das Fahren macht irre Spaß.
Ein Zuggerät gibt dir eine gehörige Portion Freiheit zurück. Wenn du mit deiner Familie, deinen Freunden oder ganz für dich durch die Lande radelst, dir den Wind um die Nase wehen lässt, spürst du ein fantastisches „Lange-vermisst-Gefühl“. Herrlich sowas!
Viele Zuggeräte sehen schnittig aus und die erste Frage ist oft, „Wie schnell kann das fahren?“ Diese Frage umreißt ein heikles Thema. Es dreht sich nicht so sehr um die Frage „Wie schnell kann …“, sondern vielmehr um „Wie schnell darf …„.
Eine Grauzone gibt es nicht
Einige Hersteller – und wohl auch Nutzer – sprechen von einer Grauzone und verfallen ins Eigentlich. „Eigentlich ja nur 6 km/h, fährt aber 15 km/h oder 25 km/h …“
Grauzone suggeriert, dass irgendetwas irgendwie nicht ganz geregelt ist. Stimmt aber nicht. Eine Grauzone gibt es nicht!
In Deutschland besteht Versicherungspflicht für Fahrzeuge (auch Krankenfahrstühle), deren Geschwindigkeit mehr als 6 km/h beträgt. Bis 6 km/h bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit wird ein Schaden von der Haftpflichtversicherung des Halters übernommen. Geräte, die zwischen 6 und 14 km/h schnell sind, benötigen ein Versicherungskennzeichen.
Die Grundlage für die Versicherung und für die Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr ist eine Betriebserlaubnis für das Gerät. Diese stellt, häufig als Einzelbetriebserlaubnis, der TÜV aus. Zur Erteilung einer solchen Betriebserlaubnis sind bestimmte Ausstattungsmerkmale nötig, z. B. Beleuchtung, Bremsen, Kennzeichenhalter, rotes Dreieck …
Kein Zuggerät ohne Betriebserlaubnis
Wer sich für ein Zuggerät entscheidet und schneller als 6 km/h unterwegs sein möchte, sollte abklären, ob der Hersteller eine Betriebserlaubnis bieten kann. (Ein Zuggerät mit 6 km/h sieht mehr nach Betriebsstörung als nach Fortbewegung aus.)
Manche Hersteller liefern Geräte jenseits der 6 km/h ohne Betriebserlaubnis aus und lassen sich vom Kunden unterschreiben, dass das Zuggerät nur auf Privatgelände benutzt werden darf. Dieser Kniff mag die Hersteller vielleicht juristisch absichern, für den Nutzer ist eine solche Praxis (sorry) kompletter Mumpitz!
Gerät
Geschwindigkeit
(BbH) bis
Zulassung
Betriebserlaubnis
Versicherung
Rollstuhl-Zuggerät
oder E-Rolli
6 km/h
nein
nein
Versicherung über private Haftpflicht
Rollstuhl-Zuggerät
oder E-Rolli
15 km/h
nein
ja (TÜV)
Versicherungs-kennzeichen
Hybrid-Handbike
als
Pedelec
(Pedal Electric Cycle)
Unterstützung beim Treten bis maximal 25 km/h, ggf. Anfahrhilfe bis 6 km/h
nein
nein
Versicherung über private Haftpflicht
Abgesehen davon, dass Nutzer ohne Versicherungsschutz unterwegs sind, bedeutet das fehlende Kennzeichen nicht bloß eine Ordnungswidrigkeit, sondern wird als Straftat eingestuft. Das kann teuer werden! Lass dir nicht erzählen, dass man Rollstuhlfahrer nicht anhält oder ein Schadensfall gänzlich abwegig ist. Elektromobilität heute ist keineswegs eine exotische Spezies mehr, sondern sehr populär.
Krankenkasse löhnt für die Versicherung
Werden übrigens gute Gründe angeführt, bewilligen Krankenkassen bisweilen die Ausstattung des Zuggeräts mit einer Geschwindigkeit von über 6 km/h. In solchen Fällen kommt die Krankenkasse auch für die Versicherungskosten auf.
Nun bin ich kein Rollstuhl-Historiker aber lehne ich mich zu weit aus dem Fenster, wenn ich behaupte, Hybrid-Handbikes und Zuggeräte haben die Fortbewegung für Rollifahrer revolutioniert? Mehr als 1.000 km habe ich mittlerweile kreuz und quer durch Rheinhessen zurückgelegt. Mit dem Zuggerät habe ich meine Umgebung neu entdeckt und endlich wieder Natur geatmet.
Mein Tipp: Informiere dich vor der Entscheidung für ein Zuggerät beim Hersteller nach der Erteilung einer Einzelbetriebserlaubnis durch den TÜV. Lass die Abnahme zur Erlangung der Einzelbetriebserlaubnis vom Hersteller durchführen, du selbst wirst kaum in der Lage dazu sein.
Während meiner Reha im letzten Jahr hatte ich Gelegenheit, mir das wheel-e BionX D-Series von Pro Activ anzusehen. Ich mache es kurz, schon nach wenigen Augenblicken hatte ich mich Hals über Kopf verliebt. Nach der Probefahrt (Vergnügungssteuerpflichtig!) war mir klar, dass ich kämpfen werde um den kleinen Freund.
Die ärztliche Verordnung schickte ich zu meinem Reha-Haus Rehability Frankfurt (??), die setzten sich mit meiner Krankenkasse auseinander. Nun kam es, wie es kommen musste: Die KK lehnte ab, wollte mir einen E-Rollstuhl bewilligen. An sich gut – aber nicht so sehr für mich. Ok, richtig kämpfen musste ich nicht wirklich, obwohl ich mir für den Widerspruch schon Mühe gegeben habe. Am Ende sagte der MDK „Ja“ und das kleine Elektroluder und ich kamen doch noch zusammen – seit Oktober hat also meine Antriebslosigkeit ein Ende.
Warum habe ich mich für das wheel-e – oder ganz allgemein für ein Zuggerät – entschieden? Auch wenn einige Gerätschaften ziemlich cool sind, die Versorgung mit einem Hilfsmittel richtet sich hauptsächlich nach den Bedürfnissen, die man ganz individuell hat. Ein richtig oder falsch, gut oder schlecht gibt es da nicht. Was also gab bei mir den Ausschlag?
Das wheel-e ist recht geländegängig. Bei uns in Rheinhessen geht es gerne über teilweise unbefestigte Wirtschaftswege, da ist man mit dem großen Antriebsrad gut unterwegs. Außerdem geht es mal eben locker über Bordsteinkanten.
Das wheel-e passt ins Auto. Geht es mal weiter weg, kann das Zuggerät einfach verladen werden. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil.
Im Handumdrehen ist das wheel-e dran und wieder ab. Bei beengten Platzverhältnissen kannst du aus dem Gespann ruck-zuck wieder einen Rolli machen.
Mit dem wheel-e bist du aktiv unterwegs. Obwohl dich der BionX-Antrieb zieht, bewegst du dich aktiv mit. Wie beim Galopp durch die Prärie, der Hengst gibt Gas und du hältst dich im Sattel. OK, ein Bisschen so vielleicht.
Nun habe ich meinen Rollstuhl auch von Pro Activ aber das Zuggerät passt nahezu an jeden Rolli. Zur Adaption gibt es zwei verschiedene Vorrichtungen. Einmal eine Art Traverse (Fontadapter, habe ich) welche an die Außenrohre des Rolli geschraubt wird. Die Traverse ist mit einer Aufnahme für das wheel-e ausgestattet. Zudem bietet Pro Activ für Starrahmenrollis ein Rohr mit wheel-e-Aufnahme, das mittig unter dem Rolli befestigt (Zentraladapter) wird, an.
Mit dem wheel-e bin ich draußen auf langen Strecken mobil und selbst abseits befestigter Wege munter unterwegs. Und weil das Auge ja auch immer mitfährt, habe ich mir Off-Road-Räder bei TRC (The Rolling Company, ??) bestellt. Ich denke, dass ich damit komfortabler, sprich holperfreier, unterwegs bin und mit den breiteren Rädern gewissermaßen das optische Gleichgewicht zwischen dem filigranen Staßenrolli und der rustikalen Zugmaschine hergestellt ist.
Bla bla … ich habe mir die Räder besorgt, weil jeder Zweite, dem ich mit dem wheel-e begenete sagte, jetzt brauchst du nur noch breite Mountainbikeräder Die Räder sind gestern eingetroffen und sind – ich haue mal auf die Kacke – was für echte Kerle! Damit wird der Rollstuhl im Handumdrehen irgendwie vom Smart zum SUV 🙂
Optik hin oder her, die Räder warten auf ihren ersten Einsatz im rheinhessischen Hügelland und ich werde berichten, wie sie sich so machen. Zusammen mit einem vollkommen subjektiven Fahrbericht des wheel-e BionX von Pro Activ.
Hey!
Schön, dass du da bist. Willkommen auf HandiCaptain.de!
Mach es dir bequem und schau dich in aller Ruhe um. Viel Spaß und neue Erkenntnisse wünsche ich dir.
Camping im Rollstuhl. Geht das? Interview für SWR3
Camping im Rollstuhl Geht das? Ja, das geht sehr gut! ☀︎⛳︎ SWR3 Push, 20.01.2024, Interview mit SABRINA KEMMER Wie barrierefrei sind Plätze in den Urlaubsregionen tatsächlich? Welche Erfahrungen habe ich gemacht und was ist mein Lieblingfeature in meinem Campingbus?
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