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Venedig – Sommertour 2022 (2)

Venedig – Sommertour 2022 (2)

Mittlerweile ist es kühler geworden und wenn ich morgens so gegen 7:30 h zur Arbeit fahre, schaltet sich das Licht automatisch ein. Es ist Herbst geworden und mit einem Anflug von Wehmut erinnere ich mich an diesen Mega-Sommer. Ich klicke mich durch die Bilder und bleibe in Venedig hängen und ich lasse unsere Sommertour noch einmal Revue passieren.

Von Waging am See treibt es uns über den Großglockner und den Plöckenpass zum Camping Union Lido nach Cavallino-Treporti ganz in der Nähe von Venedig. Hast du die Alpen hinter dir gelassen, fühlt sich der Sommer noch mal mehr nach Flip-Flop und dem Duft von Sonnenmilch an. Hach, nächstes Jahr wieder!

Venedig mit Rollstuhl
Auf nach Italien!

Union Lido – Lage

Union Lido – Der größte oder zweitgrößte Campingplatz Europas liegt an der Adriaküste unweit von Venedig. Der üppige Baumbestand liefert wohltuend ausreichend Schatten. Bei den herrlich warmen Temperaturen lernen wir das schnell zu schätzen.

Klimaanlage im Camper
Gute Dienste in der Nacht – Unsere Klimaanlage
Venedig mit Rollstuhl
Via Venizia

Stellplätze

Es gibt verschieden große Stellplätze. Wir hatten uns für einen ca. 100 qm großen im Bereich Venizia R (R steht für Reservierung) mit Strom- und Wasseranschluss entschieden. Die Platzordnung lässt leider wenig Spielraum, wie der Camper oder Wohnwagen zu stellen ist.
Ein natürlicher Sichtschutz ist in unserem Bereich nicht vorhanden. Wer auch mal privat sein möchte oder anderen Familien nicht dauerhaft beim Urlauben zusehen zu wollen, tut gut daran, eine Sichtbarriere zu installieren.

Venedig mit Rollstuhl
Stellplatz unter Bäumen

Es gibt Stellplätze, die wegen des munteren Treibens bis spät in die Nacht, aus meiner Sicht wirklich kritisch (auf deutsch: beschissen) sind. So sind die Plätze gegenüber der Pizzeria und der Eisdiele permanent von der Aura schlangestehender Menschen umgeben.
Unser Stellplatz liegt direkt an der Via Venizia, einem Hauptweg, der bis nach Mitternacht von relativ lautstarken Campinggenossen, genutzt wird.

Wege

Die Hauptwege sind gepflastert und gut befahrbar. Bei der Größe des Platzes können die Wege mitunter sehr lang werden. Zum Strand sind es für uns ca. 800 Meter, die mit Zuggerät und Fahrrad schnell zurückgelegt sind. Die Stellplätze haben eine Gras-/ Sandunterlage mit der ich gut zurechtkomme.

Union Lido, Cavallino
Weg zum Lido-Strandabschnitt

Campingleben

Der Campingplatz ist super organisiert. Vom Check-in bis zur Abreise funktionieren die Abläufe effizient und professionell. Bei der Platzgröße würde vermutlich schnell das Chaos ausbrechen, wenn das anders wäre.
Union Lido ist nach eigenen Angaben der erste fünf Sterne Campingplatz und wird regelmäßig sehr gut bewertet. Die positiven Google-Bewertungen sprechen für sich. Ich würde dem Platz ohne Einschränkung ebenso fünf Sterne geben. Allerdings solltest du wissen, worauf du dich einzustellen hast: In der Hauptsaison Ballermann 6 für Familien mit vorzugsweise recht jungen Kindern.
Abends finden Veranstaltungen für die ganze Familie statt. Zauberei, Mini-Disco, Tanzdarbietungen und vieles mehr. Häufig schallt die Musik der Events bis 23 Uhr über den Platz.
Der Campingplatz ist mit 25 Geschäften (Mode, Schuhe, Schmuck, Fahrrad, Campingbedarf, Apotheke, Obst und Gemüse, Souvenirs … , zwei Supermärkten, acht Restaurants und einer Arztpraxis ausgestattet.

Union Lido, Cavallino
Hingucker, besonders für Kinder
Union Lido, Cavallino
Der Campingplatz ist sehr schön angelegt

Sanitäre Anlagen

Die Waschhäuser verfügen über ein barrierefreies Bad / WC. In dem von mir genutzten, sehr modernen Waschhaus 15 sind Haltegriffe und ein ausklappbarer Duschsitz vorhanden. Einziges Manko: Der Duschsitz ist recht niedrig angebracht. Ich komme damit einigermaßen zurecht, kann mir aber vorstellen, das das Umsetzen oder Aufstehen Mühe bereiten kann.
Die Sauberkeit lässt keine Wünsche offen. So sehe ich permanent Personal, die sich um den tadellosen Zustand kümmern.

Strand

Es ist so herrlich an einem wirklich barrierefreien Strand zu sein. Im „Lido“ Strandabschnitt ist der Weg zu den Strandliegen gepflastert und die Liegen stehen auf einem gepflasterten Bereich. Du kommst also vom Rollstuhl direkt auf die Liege, ohne durch den Sand zu müssen. Extra Plus: Du kannst zwischen einer niedrigen oder einer hohen (ca. 50 cm) Liege wählen und zusätzlich einen Strandstuhl bekommen.
Wir buchen unseren Platz jeweils für einen halben Tag (13,50 Euro) und genießen die Zeit am Strand.

Union Lido, Cavallino
Barrierefreie Wege am Strand
Union Lido, Cavallino
Die liegen sind mit dem Rollstuhl sehr gut erreichbar

Am Lido-Strand gibt es einen Strandrollstuhl und Emiliano und seine Kollegen befördern dich damit gerne ins Wasser. Emiliano ist übrigens ein sehr zuvorkommender, geschätzt zwei Meter großer Mann, bei dem ich keinen Zweifel habe, dass er mich (kein Leichtgewicht) sicher ins und wieder aus dem Meer bekommt.

Union Lido, Cavallino
Strandrollstuhl für die Fahrt ins Wasser
Union Lido, Cavallino
Ein Tag am Strand – herrlich!

Freizeit

Ein Besuch in Venedig bietet sich aufgrund der Nähe an. Wir fahren mit dem Bus (Linie 5) nach Punto Sabione und von dort aus mit dem Vaporetto Wasserbus (Linie 14) zum Markusplatz. Mit dem Rollstuhl funktioniert das sehr gut, die Busse verfügen über eine Rampe und ins Wassertaxi geht es ohne Stufen hinein.

Venedig mit Rollstuhl
‎⁨Markusplatz⁩, ⁨Venezia⁩
Venedig mit Rollstuhl
Der Markusdom
Venedig mit Rollstuhl
Gondeln in Venedig
Venedig mit Rollstuhl
Venedig mit Rollstuhl
Santa Maria della Salute
Venedig mit Rollstuhl
San Giorgio dei Greci

Venedig ist die Stadt der Liebe und definitiv nicht die Stadt der Rollstuhlfahrer – auch nicht für verliebte. Das Venedig mit seinen knapp 400 Brücken, auf die es meistens via Treppenstufen geht, nicht komplett barrierefrei zu gestalten ist, leuchtet mir ein. Etwas besser ginge es allerdings schon! Venedig hätte mit recht geringem Aufwand hier viel mehr tun können und müssen!
Die Bewältigung der langen, steilen Rampen rund um den Markusplatz ist jedoch für mich und noch mehr für Bettina eine echte Maloche. Dennoch lohnt sich der Besuch. Die vielen Geschäfte in den kleinen Gässchen rund um den Markusplatz laden zum Bummeln und Shoppen ein und ein Aperol schmeckt vor der beeindruckenden Kulisse doppelt gut (auch wenn er dreimal soviel kostet).

Fazit

Camper - Rollstuhlgerecht
Gemütlich …

Unsere Woche auf dem UNION LIDO Campingplatz entspricht definitiv nicht dem, was wir unter Campingurlaub verstehen. So toll es ist, freudige, ausgelassene und glückliche Kinder um sich zu haben, genießen wir es, auch mal nur für uns zu sein – Unter unserer Markise, im Restaurant, am Strand oder beim Bummeln.
Die Barrierefreiheit ist im UNION LIDO ist sensationell und beeindruckt mich. Hier und da treffe ich immer wieder andere Urlauber mit Rollstuhl, die das Angebot ebenso schätzen.
Würde ich wieder das Union Lido ansteuern? Ja! … Nicht in der Hauptsaison.


HandiCaptain.de greift relevante Themen für Menschen mit Behinderung auf und berichtet darüber. Wenn du Fragen oder Anmerkungen hast, freue ich mich über deinen Kommentar oder deinen Kontakt.

Kreuzfahrt-Spezial für Rollstuhlfahrer

Kreuzfahrt-Spezial für Rollstuhlfahrer

Das Interesse an Kreuzfahrten, dieser wunderbaren Art des Reisens, ist ungebrochen. Viele Menschen lassen den Alltag hinter sich, stechen in See und brechen zu neuen Abenteuern auf.

Nun gibt es im weltweiten Meer der Informationen jede Menge Seemannsgarn, enthusiastische Reiseberichte und tolle Bilder. All das macht Lust auf Meer. Der HandiCaptain beteiligt sich ausgiebig daran, wohlwissend dass handfeste Infos für Menschen mit Handicap unentbehrlich sind.

Deswegen gibt es nun dieses Kreuzfahrt-Spezial. Mit den kompakten Informationen kannst du eher einschätzen, ob eine Kreuzfahrt für dich in Frage kommt, was dich erwartet und welcher Anbieter dich anspricht.

Insgesamt habe ich 12 Anbieter angeschrieben und 20 Fragen gestellt. Fragen, die speziell für Rollstuhlfahrer relevant sind. Acht Unternehmen haben ihre Angaben engagiert beigesteuert, mich mit Antworten und Bildmaterial versorgt. An dieser Stelle ein herzliches „Danke schön“ an alle Teilnehmer.

Diese Anbieter haben leider auf die Anfrage nicht reagiert:
Phoenix Reisen, Norwegian Cruise Line, Royal Caribbean, A-ROSA.

20 Fragen zur Barrierefreiheit

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AIDAprima in Hamburg | Foto: AIDA Cruises

Organic SPA, AIDAprima | Foto: AIDA Cruises

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Barrierefreie Außenkabine auf MeinSchiff 3 | Foto: TUI Cruises

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Barrierefreie Kabine auf der Color Fantasy & Color Magic | Foto: Jallafilm, Tomas Bruce Dyrud

Barrierefreie Kabine auf der Color Fantasy & Color Magic | Foto: Jallafilm, Tomas Bruce Dyrud

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Die EUROPA vor den Seychellen | Foto: Hapag-Lloyd Cruises

Das Lido Café | Foto: Hapag-Lloyd Cruises

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Queen Mary 2 im Geiranger Fjord | Foto: Cunard Line

Queen Victoria, Queens Room Dancing | Foto: Cunard Line

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MSC Meraviglia | Foto: MSC Rights

Barrierefreie Kabine auf der MSC Meraviglia. Sie wird ab April 2018 ab Hamburg in See stechen. | Fotos: MSC Rights

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Costa Fortuna | Foto: Costa Crociere S.p.A.

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Tenderboot AIDAmar | Foto: HC

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MS Richard With, Hurtigruten | Foto: Hermann Oberhofer/Hurtigruten

An Deck der MS Finnmarken | Foto: Claire Netting/ Hurtigruten

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Flughafen-Schiff-Transfer mit einem Rollstuhltaxi | Foto: HC

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Sonnenuntergang an Deck | Foto: HC

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Dein Kommentar ist gefragt

Hast du bereits Erfahrungen auf See sammeln können? Mit Welchem Schiff warst du auf welcher Route unterwegs? Hast du einen guten Tipp?
Ich freue mich auf auf deinen Kommentar. LG & Ahoi!

 

 

Zuggerät & Co: Elektromobilität für Rollstuhlfahrer

Zuggerät & Co: Elektromobilität für Rollstuhlfahrer

Brachte man vor ein paar Jahren die Begriffe „Elektro“ und „Rollstuhl“ zusammen, landete man beim Elektrorollstuhl. Heute ist die Elektromobilität für Rollstuhlfahrer vielfältiger. Mittlerweile gibt es zahlreiche Hersteller von Zuggeräten und E-Handbikes. Die Geräte sehen oft cool aus und bieten dem Nutzer eine ganze Reihe Vorteile (je nach Ausführung):

  • Das Zuggerät kann im PKW verladen werden.
  • Das Zuggerät (mit großem Rad) ist recht geländegängig.
  • Der Aktivrollstuhl bleibt mit abgekoppeltem Zuggerät klein und wendig.
  • Mit dem Aktivrollstuhl sind Barrieren teilweise überwindbar.
  • Der Nutzer bleibt durch die aktive Bewegung besser in Form.
  • Das Fahren macht irre Spaß.

Ein Zuggerät gibt dir eine gehörige Portion Freiheit zurück. Wenn du mit deiner Familie, deinen Freunden oder ganz für dich durch die Lande radelst, dir den Wind um die Nase wehen lässt, spürst du ein fantastisches „Lange-vermisst-Gefühl“. Herrlich sowas!

Viele Zuggeräte sehen schnittig aus und die erste Frage ist oft, „Wie schnell kann das fahren?“ Diese Frage umreißt ein heikles Thema. Es dreht sich nicht so sehr um die Frage „Wie schnell kann …“, sondern vielmehr um „Wie schnell darf …„.

Eine Grauzone gibt es nicht

Einige Hersteller – und wohl auch Nutzer – sprechen von einer Grauzone und verfallen ins Eigentlich. „Eigentlich ja nur 6 km/h, fährt aber 15 km/h oder 25 km/h …“

Grauzone suggeriert, dass irgendetwas irgendwie nicht ganz geregelt ist. Stimmt aber nicht. Eine Grauzone gibt es nicht!

In Deutschland besteht Versicherungspflicht für Fahrzeuge (auch Krankenfahrstühle), deren Geschwindigkeit mehr als 6 km/h beträgt. Bis 6 km/h bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit wird ein Schaden von der Haftpflichtversicherung des Halters übernommen. Geräte, die zwischen 6 und 14 km/h schnell sind, benötigen ein Versicherungskennzeichen.

Die Grundlage für die Versicherung und für die Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr ist eine Betriebserlaubnis für das Gerät. Diese stellt, häufig als Einzelbetriebserlaubnis, der TÜV aus. Zur Erteilung einer solchen Betriebserlaubnis sind bestimmte Ausstattungsmerkmale nötig, z. B. Beleuchtung, Bremsen, Kennzeichenhalter, rotes Dreieck …

Kein Zuggerät ohne Betriebserlaubnis

Wer sich für ein Zuggerät entscheidet und schneller als 6 km/h unterwegs sein möchte, sollte abklären, ob der Hersteller eine Betriebserlaubnis bieten kann. (Ein Zuggerät mit 6 km/h sieht mehr nach Betriebsstörung als nach Fortbewegung aus.)

Manche Hersteller liefern Geräte jenseits der 6 km/h ohne Betriebserlaubnis aus und lassen sich vom Kunden unterschreiben, dass das Zuggerät nur auf Privatgelände benutzt werden darf. Dieser Kniff mag die Hersteller vielleicht juristisch absichern, für den Nutzer ist eine solche Praxis (sorry) kompletter Mumpitz!

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Abgesehen davon, dass Nutzer ohne Versicherungsschutz unterwegs sind, bedeutet das fehlende Kennzeichen nicht bloß eine Ordnungswidrigkeit, sondern wird als Straftat eingestuft. Das kann teuer werden! Lass dir nicht erzählen, dass man Rollstuhlfahrer nicht anhält oder ein Schadensfall gänzlich abwegig ist. Elektromobilität heute ist keineswegs eine exotische Spezies mehr, sondern sehr populär.

Krankenkasse löhnt für die Versicherung

Werden übrigens gute Gründe angeführt, bewilligen Krankenkassen bisweilen die Ausstattung des Zuggeräts mit einer Geschwindigkeit von über 6 km/h. In solchen Fällen kommt die Krankenkasse auch für die Versicherungskosten auf.

Wheel-e Pro-Activ

Nun bin ich kein Rollstuhl-Historiker aber lehne ich mich zu weit aus dem Fenster, wenn ich behaupte, Hybrid-Handbikes und Zuggeräte haben die Fortbewegung für Rollifahrer revolutioniert? Mehr als 1.000 km habe ich mittlerweile kreuz und quer durch Rheinhessen zurückgelegt. Mit dem Zuggerät habe ich meine Umgebung neu entdeckt und endlich wieder Natur geatmet.

Mein Tipp: Informiere dich vor der Entscheidung für ein Zuggerät beim Hersteller nach der Erteilung einer Einzelbetriebserlaubnis durch den TÜV. Lass die Abnahme zur Erlangung der Einzelbetriebserlaubnis vom Hersteller durchführen, du selbst wirst kaum in der Lage dazu sein.

Links zum Thema:

Wo sind die Menschen mit Handicap?

Wo sind die Menschen mit Handicap?

[responsivevoice_button voice=“Deutsch Female“ buttontext=“Beitrag anhören“]Nun habe ich aber mal eine doofe Frage. Warum sieht man bei TV-Shows so gut wie nie Studiogäste mit Behinderung? Komisch, wo sind denn die?

Neulich brachte ein Post die Facebook-Gemeinde in Aufruhr: Eine Besucherin der RTL-Showaufzeichnung von DANCE DANCE DANCE schilderte, dass eine Frau mit Down-Syndrom offensichtlich umgesetzt wurde, damit sie nicht ins Blickfeld der Kameras gerät. Ist ein derart schändlicher Fall von Diskriminierung tatsächlich möglich? Die Presse griff diesen aufwühlenden Fall auf und berichtete ausführlich. Die BILD titelte „Frau mit Down-Syndrom in RTL-Show umgesetzt?“, der Berliner Kurier schrieb Schwere Vorwürfe Diskriminiert „Dance Dance Dance“ geistig Behinderte?“. Viele weitere Medien thematisierten diesen Fall ebenso.

Auch mir hat diese Geschichte den Puls beschleunigt, mich zornig gemacht. Aber, Entwarnung! RTL hat sich geäußert und mitgeteilt, dass zwei behinderte Studiogäste mit ihrer Betreuerin gebeten wurden, sich auf Plätze zu setzen, von denen aus der Notausgang schneller erreichbar war. Auch die Betreuerin bestätigte, dass die neuen Plätze besser als die vorherigen waren. Gott sei Dank, keine Diskriminierung, keine Verarsche, egal von wem. Zurück zur Tagesordnung?

Nicht ganz. Mich lässt das nicht los. Eigentlich möchte ich gar nicht, dass mich das beschäftigt, dieser TV-Studio-Mist. Tut es aber.

Letztes Jahr war ich bei der Aufzeichnung der ZDF-Heute-Show, hatte Monate auf die begehrten Karten gewartet. Im Mai ging es ins Studio nach Köln. Als Rollstuhlfahrer durfte ich auf Anfrage noch vor dem großen Pulk ins Studio und wurde von einer freundlichen Einweiser-Dame in Empfang genommen. Nun darfst du mal raten, was ich zu hören bekam. „Mit dem Rollstuhl müssen Sie sich an den Notausgang stellen.“ Am Notausgang bedeutete eine Art Nische, neben der eigentlichen Bestuhlung. Leck mich am Arsch! Da ist er wieder, der Notausgang! Damit ich nicht abseits irgendwo am Rand stehen muss, habe ich mich auf einen Studiostuhl umgesetzt. Aber bitte am Notausgang ganz rechts. Und ich Vollidiot hatte ernsthaft geglaubt, ich käme ins Fernsehen.

Notausgang. Wer glaubt denn ernsthaft, ein Rollstuhlfahrer komme im Notfall schlechter aus einem ebenerdigen Studio mit riesigen Zugängen als ein Fußgänger. Zumal Fußgänger erstmal über Treppen von der Tribüne herunter müssen? Also, in einer solchen Umgebung stehen Menschen mit Handicap einer raschen Evakuierung bestimmt nicht im Wege. In den meisten Theatersälen habe ich als Rollstuhlfahrer bisher mittendrin gesässen. Nicht abseits am Notausgang.

Ich unterstelle weder RTL, noch dem ZDF, noch irgendeiner Produktions- oder Ticketingfirma eine verabscheuungswürdige Diskrimierung von Menschen mit Behinderung. Genauso wenig denke ich, dass die Betroffenen der RTL Aufzeichnung DANCE DANCE DANCE einfach nur gute Mine zum bösen Spiel machten. Ich finde es großartig, dass die Augenzeugin IHREN Eindruck der Situation bei Facebook gepostet hat.

OK, es ist müßig, die Notausgang-Nummer zu hinterfragen. Da kommt man ohne investigativer Recherche zu keinem Ergebnis. Ich tue es trotzdem, weil hier offensichtlich etwas im Argen liegt. Und weil ich möchte, dass Menschen mit Behinderung sichtbar werden in unserer Gesellschaft. Es ist so unglaublich wichtig, dass funktionierende Inklusion, die Teilhabe von Menschen mit Behinderung, gezeigt und wahrgenommen wird. Massenmedien sollten das als Auftrag verstehen. Scheiß drauf, ob vielleicht irgendein verkniffener Zuschauer irgendwas mal nicht sehen möchte.

TV-Sender verweisen oft auf ihr Engagement für Menschen mit Behinderung, auf Beiträge in denen Behinderungen thematisiert werden. Richtig und wichtig. Trotzdem, Menschen mit Handicap werden in der Öffentlichkeit sichtbarer, präsenter. Das ist eine sehr positive Entwicklung. Die Teilhabe am beruflichen und gesellschaftlichen Leben hat also in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Moderne Kommunikations- und Rehatechnik sowie nicht zuletzt ein offeneres Verständnis ermöglichen das. Höchste Zeit also, dass die Botschaft bei den Zuständigen vom Fernsehen ankommt.

Du bist AKTIVIST!

Du bist AKTIVIST!

AKTIVIST

[responsivevoice_button voice=“Deutsch Female“ buttontext=“Blogpost anhören“]

Neulich blieb meine Aufmerksamkeit an einem Gedankenfetzen hängen. Ein Schnipsel wie das abgerissene Stück eines Plakats das zu lange im Regen hing und sowieso von niemanden mehr beachtet wurde. Kennt man ja von früher, diese einsamen Plakatwände. Nun ja, auf dem Schnipsel stand AKTIVIST. Was für ein Powerwort. AKTIVIST!

Lass uns mal auf die Gesellschaft gucken, Society watching von weit oben. Wir klettern in einen Helikopter und steigen auf bis alles glasklar vor uns liegt. Keine Statistik, keine Schminke sondern das wahre Leben, verschissen klar. Und dann hätte ich eine Frage an dich. Eine Frage nur: Wo bist du?

Menschen mit einer Behinderung gehören zu einer 10-Millionen-Minderheit. Irre oder? Handicaps, unterschiedlich schwer, unterschiedlich sichtbar. Und wenn du mit deinem Rollstuhl, deinem Rollator oder deinem Blindenstock irgendwo auftauchst, bist du AKTIVIST. Du selbst stehst für etwas extrem Wichtiges und bist selbst ein so unglaublich wertvolles Statement. Du trittst für die Belange behinderter Menschen ein, weil du dir Stellenwert und Bedeutung gibst und da bist. Präsent und ganz du. Du bist AKTIVIST.

Du sagst, was dir wichtig ist, was du brauchst, wie du es gerne hättest. In der Gesellschaft, in deinem Leben, du mit deiner Behinderung. Und auch, wenn du andere damit nervst oder überforderst, raus damit! Wie oft bist DU genervt, überfordert? Schau dich mal um in deiner Familie, in deinem Freundeskreis, an deinem Arbeitsplatz, in deiner Nachbarschaft. Wie viele Menschen ohne Behinderung haben schon so fantastisch viel von dir gelernt? Sind geradezu selbst zu AKTIVISTEN geworden. Ist es nicht richtig cool, bisweilen rührend, dass plötzlich Menschen in deinem Umfeld auf Barrierefreiheit achten und diese wehement einfordern? Macht es dich nicht auch stolz, wenn deine Freunde wissen, was Inklusion bedeutet und sich dafür stark machen? Du bist AKTIVIST. Gut so! ✊?

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