von Christof (HandiCapt.) | Juni 22, 2017 | Allgemein
Weil das hier keine Kultur-Internetseite ist, kommt keine Konzertkritik. … Obwohl … ich kann nicht anders. Muss drüber reden.
Depeche Mode hat am 20.06.2017 in Frankfurt ein Konzert gespielt, wie ich es bisher nicht erlebt habe. Lehne ich mich zweit über die Tribünenabsperrung, wenn ich sage, es war das beste Konzert bisher überhaupt – seit Mitte der 80er? Set list brillant, Akustik wie sie soll und die Stimmung auf und vor der Bühne ausgelassen. Was haben wir mitgesungen, Everything Counts, Enjoy the Silence und ganz zum Schluss Personal Jesus. Songs, die wir früher größtenteils im Rausch hörten. Großartig!
Global Spirit Tour

Es gibt ja Ereignisse, da freust du dich Monate drauf. Wie früher, wenn das Neckermann-Paket unterwegs war. Das dauerte zwar meistens nur Wochen, doch als Kind kam mir das immer länger vor.
Global Spirit Tour von Depeche Mode in der Commerzbank Arena Frankfurt. Die Karten hatten wir schon im Oktober letzten Jahres bestellt. Für Rollstuhlfahrer weicht der Bestellvorgang etwas von der üblichen Onlinebestellung ab. Die Tickets für die Rollstuhlplätze werden von der Commerzbank Arena direkt vergeben. Wer ohne Umwege zum richtigen Kontakt in Frankfurt möchte, kann beim Ticketvertrieb (Ticketmaster) nachfragen. Die Tickets bekommt man dann von der Commerzbank Arena zugeschickt. Habe ich schon häufiger gemacht und hat immer bestens funktioniert.
Mit den Tickets bekommst du eine Parkberechtigung für die Tiefgarage. Das ist sehr praktisch, zumal dort ausreichend Parkplätze für Rollifahrer vorhanden sind. Von dort aus geht es mit dem Lift hinauf zur Tribüne. Die Rollstuhlplätze sind großzügig und die Begleitperson sitzt direkt neben dir. Das ist wirklich nett. Hätten sich die Mainzer mal abgucken sollen?!
Nun waren wir schon ein paar Mal in der Commerzbank Arena und konnten bislang immer ohne größere Wartezeiten direkt in die Tiefgarage fahren. Nicht so letzten Dienstag, 20. Juni. 17:30 Uhr, machen uns auf den Weg nach Frankfurt. Navi sagt 35 Minuten, Katzensprung. Seit Tagen schon Sommerwetter, heute Hochsommerwetter, 35 °C. Gott sei Dank ist Auto-Klima mittlerweile Standard. Nach 28 Minuten Fahrt plötzlich Stau, Navi sagt noch 5 Km, 7 Minuten. Nix da! Für die letzten 5 Km – von der A3 auf die B44 – haben wir 3 Stunden (!!!) gebraucht. Leck mich am Arsch. Das hätte ich per Rolli mit verbundenen Augen rückwärts geschafft. Egal, wir waren einigermaßen pünktlich in der Arena und hatten eine geile Zeit. Wartezeiten durch verstärkte Kontrollen müssen wohl sein.
Nachdem der endgültig letzte Akkord verstummt war, ging es rasch zu einem der wenigen (2?) Aufzüge. In die Kabine passen gerade mal 2 Rollstühle und 3-4 Fußgänger. Zwar entstehen in der Warteschlange ganz nette Gespräche, doch wenn es auf 0 Uhr zugeht, willst du auch irgendwann mal ins Heiabett. Cool wars!

von Christof (HandiCapt.) | Mai 27, 2017 | Sichtweise
[responsivevoice_button voice=“Deutsch Female“ buttontext=“anhören“] Ich war zur Kur – nee, Reha heißt das ja jetzt. Kur klingt immer so nach Fango und Tango. Will nicht, dass da ein falscher Eindruck entsteht, ist schließlich harte Arbeit. Morgens früh raus, Termine und Anwendungen. Mich hat es wieder in das reizvolle Werratal gezogen, das verträumte Bad Sooden-Allendorf. Mittlerweile komme ich seit 10 Jahren immer wieder dorthin. Und es ist so herrlich, wenn immer alles so bleibt wie es ist. Schmuckes Fachwerk (meistens), gepflegter Park und aufdringliche, verfressene Enten. Sonntags Tanztee im Kurhotel, bei warmen Wetter mit geöffneten Fenstern. Mumienschieben nennt das die Jugend.
Mir ist tatsächlich nie eine Stadt begegnet, die so sehr von Rollatoren, Rollstühlen und beschwerlich gehenden Menschen in Schwung gehalten wird. Da könnte sich die Verwaltung einen Rollator ins Stadtwappen dengeln lassen. Das wäre cleveres Tourismus-Marketing: Kommt nach Bad Sooden-Allendorf. Wir sind noch nicht ganz tot!
Tatsächlich scheint die Zeit in den 1960er-Jahren stehen geblieben zu sein. So nostalgisch das für manchen Zeitgenossen sein mag, so bitter ist es für die Menschen, die auf Barrierefreiheit angewiesen sind. Rollstuhlfahrer sind vom reichhaltigen gastronomischen Angebot weitestgehend ausgeschlossen. Kneipen, Bistros, Restaurants, Eisdielen – überall 1-2 Stufen. Rollstuhlfahrer müssen draußen bleiben! Kennt man ja, die „Draußen-nur-Kännchen-Plätze“, die bereits bei trübem Wetter ab 10° C genutzt werden. So geht gelebte Behinderung. Dabei wäre es so einfach: Pflaster anheben, Rampe anlegen, Zugang schaffen.
Im letzten Jahr schon staunte ich nicht schlecht, als mir der Flyer „Barrierefrei Bad Sooden-Allendorf“ in die Hände fiel.
http://www.bad-sooden-allendorf.de/fileadmin/user_upload/downloads/bsa_barrierefrei_flyer.pdf
Der Barrierefrei-Stadtplan ist eine Dokumentation dessen, was nicht möglich ist. Hier werden die Supermärkte großer Discounter-Ketten als barrierefreie Gebäude aufgeführt. Leider sind es fast die einzigen überhaupt! Die Verantwortlichen sollten sich ihren Flyer als To-Do-Liste auf den Schreibtisch legen.
Zwei erwähnenswerte positive Ausnahmen gibt es: Vor dem Café Deichmann wurde das Pflaster angehoben und eine Rollstuhl-Toilette installiert. Diese Toilette wird stark frequentiert, weil die öffentlichen Rollstuhl-Toiletten meistens nicht zugänglich sind. Café Deichmann ist ein Betrieb, von dem die gesamte Stadt profitiert. Das kann man nicht deutlich genug machen.
Im Bahnhof wurde vor ein paar Wochen die neue Zweistein-Bar eröffnet. Ebenerdig zugänglich über den Bahnsteig und auch mit Rollstuhltoilette. Rollifahrer, denen das Gradierwerk irgendwann langweilig wird, finden hier eine tolle Umgebung. Ich bin mir sehr sicher, dass die Bar mit diesem Konzept ein Erfolg wird.
Natürlich hätte ich Bad Sooden-Allendorf längst den Rücken gekehrt, hätte einen fetten Haken unter eine bis zur Halskrause verschuldete Stadt in einer strukturschwachen Region gemacht. Einer Stadt, die behinderte Menschen ausgrenzt und sich so mit einer hässlichen Fratze präsentiert. Nun sind mir in einer Kur … äh … Reha … geeignete Therapien, engagierte Therapeuten und Ärzte mehr wert als Cafè Latte, Currywurst Pommes oder ein Cocktail. Aber machen wir uns nichts vor, das Gesamtpaket muss stimmen. Selbst kleine Veränderungen in der Kliniklandschaft (bessere Angebote anderswo) könnten dazu führen, dass Patienten abwandern, Geschäfte schließen. Vielleicht sind Menschen mit Behinderung auch nicht mehr bereit, hinzunehmen dass sie ausgeschlossen werden. Nicht in einer Kurstadt, die genau von diesen Menschen am Leben erhalten wird. Guten Morgen Bad Sooden-Allendorf. Und lass dir einen Rollator ins Wappen dengeln!
von Christof (HandiCapt.) | März 19, 2017 | Amerika, Reisen
[responsivevoice_button voice=“Deutsch Female“ buttontext=“anhören“]New York City. Ich habe bisher nichts vergleichbares gesehen, gespürt, erlebt. Eine Stadt mit der Dynamik eines Ameisenhaufens jedoch weit entfernt von Gleichheit, Tristesse oder Routine. Sirenen von Polizei oder Feuerwehr machen eine Kirmes, die du sonst nur aus Kinofilmen kennst.
Mit dem Rollstuhl stehst du nicht irgendwie abseits, sondern bist Teil des Ganzen. Wenn du wissen willst, wie sich Barrierefreiheit anfühlt, mach dich auf und bereise die USA. Hier ist der beknackte Praktika-Slogan „Geht nicht, gib’s nicht!“ keine Floskel. Rollst du auf eine verschlossene Tür zu, wird sie dir von wildfremden Menschen geöffnet. Du findest Rampen und Lifte an Stellen, wo du sie niemals vermutet hättest und ständig hörst du „sorry“, weil jemand glaubt, er versperre dir den Weg. Mein Gott, was für ein geiles Mindset!

Vor ein paar Jahren habe ich mich Hals über Kopf in diesen schreienden Moloch verliebt. Menschen aus allen Herren Ländern, die ihren Träumen und Visionen nachrennen, ihre Geschichte hinter sich lassen und neu beginnen. Auch wenn du nicht auf der Suche nach Input bist, diese Stadt inspiriert dich, macht was mit dir. Ob du willst oder nicht, weiß nicht warum. Es gibt so irre viel zu entdecken und immer freut sich jemand, dass gerade du in diesem Moment da bist. Du mit deinem Rollstuhl, dem jetzt der beste Service zuteil wird.

Ich mag es, mich durch die Straßen dieser Kirmes treiben zu lassen. Durch die eigentümliche Thermik der Häuserschluchten, durch den Qualm angebrannter Hot-Dogs und durch Schwaden aufgeschnappter Wortfetzen, die fremden Smartphones gelten.




von Christof (HandiCapt.) | März 12, 2017 | Rollstuhl

Alle Bilder von PRO ACTIV Reha-Technik GmbH – Vielen Dank!
[responsivevoice_button voice=“Deutsch Female“ buttontext=“ANHÖREN“] Die Versorgung mit einem Rollstuhl ist eine wirklich individuelle Geschichte. Es gibt Rollis von der Stange und manche Kostenträger (leider auch manche Sanitätshäuser) möchten Glauben machen, dass ein x-beliebiger Rollstuhl ausreichend ist. Ausreichend liegt aber nur knapp über dem erträglichen, wenn überhaupt. Klar ist, dass du eine verdammt lange Zeit mit deinem Rolli unterwegs sein wirst. Über Kopfsteinpflaster hoppeln, den ganzen Tag am Schreibtisch sitzen oder durch die engen, vollgestopften Gänge deines geliebten Deko-Ladens rollen. Ganz normal eben.
Ich kann (und will) hier keine Versorgungsberatung geben; dazu ist die Auswahl und die Versorgung mit einem Rollstuhl zu individuell und mein Horizont zu subjektiv. Ich möchte dir aber dennoch gerne ein paar Gedanken mit auf den Weg geben, die dich hoffentlich vor Zufallsentscheidungen schützen.
Tipp 1: Rollstuhl ist nicht Rollstuhl
Einen Rollstuhl hat ja jeder schon mal gesehen, kennen wir ja. Ein Stuhl mit Rädern, großen und kleinen. Eine Crème de la Crème der Top-Adaptiv-Rollis findest du oft in TV-Produktionen, wenn wieder mal irgendein viel zu großer Schrott-Rollstuhl vom Requisiten-Verleih organisiert wurde. Ist aber ein anderes Thema, Menschen mit Behinderung in den Medien. Heikel, weil meinungsbildend.
Also, Rollstuhl ist nicht gleich Rollstuhl. Je besser der Rolli auf dich zugeschnitten ist, um so mobiler bist du später. Schließlich geht es im Alltag darum, Bordsteinkanten, ggf. Stufen, Rampen und Unebenheiten zu meistern. Der Rolli wird dich gewissermaßen auf Schritt und Tritt begleiten – oder so ähnlich ? – und zu einem wirklich wichtigen Verbündeten werden.
Tipp 2: Sitzt, passt, wackelt und hat Luft?
Der Rollstuhl muss zu deinen Körpermaßen optimal passen. Grundlage dafür ist die Vermessung durch Fachpersonal zum Beispiel von deinem Reha-Haus. Ich habe bisher sehr viele Menschen im Rolli gesehen und mich teilweise gewundert, wie schlecht mancher in seinem neuen (!) Rolli gesessen hat. Hier einige Aspekte zur Anpassung des Rollis:
- Sitzbreite: Die Sitzfläche sollte so breit sein, dass du bequem sitzt. Die Seitenteile sollten nicht drücken. Faustregel ist, größte Körperbreite auf der Hinterseite des Benutzers plus jeweils rechts und links einen bis zwei Fingerbreit „Spiel“. Je breiter der Sitz, desto breiter der Rolli. Du wirst häufiger als gedacht in Situationen kommen, in denen es auf Millimeter ankommt. Aus eigener Erfahrung würde ich keine allzu große Reserve vorsehen. Argumenten wie „Da muss ja noch die dicke Winterjacke reinpassen„, würde ich kritisch gegenüberstehen.
- Sitztiefe: Auch hier gibt es eine Faustregel. Von der Kniekehle bis zur Sitz-Vorderkante sollten zwei Finger breit Platz sein. Faustregel eben, lass dich gut beraten.
Mach dir zudem Gedanken über die Höhe der Rückenlehne. Wieviel Halt und Stabilität benötigt du wirklich? Ich bin tatsächlich von einer recht hohen Rückenlehne – erster Rolli, Tipp vom Sanitätshaus – auf eine wirklich kurze gegangen. Wenn du eine hohe Rückenlehne benötigst, ist die Entscheidung klar und es wäre unsinnig, darauf zu verzichten. Bist du jedoch recht stabil im Rumpf stört die hohe Lehne und schränkt dich in deinen Bewegungen ein. Entscheidest du dich für eine kurze Lehne mit Schiebegriffen, sollten die Griffe in der Höhe verstellbar sein. Assistenten werden es dir danken!
Tipp 3: Rahmen – was ist dir wichtig?

Faltrahmen- und Starrrahmenrollstuhl
Starrrahmen- oder Faltrahmenrollstuhl? Starrrahmenrollstühle bieten eine hohe Steifigkeit gegen Verwindungen, sind deswegen recht komfortabel. Durch die steife Rahmenkonstruktion überträgt sich die Kraft des Fahrers optimal auf den Rollstuhl. Außerdem sind sie teilweise extrem leicht. Faltrahmenrollstühle können auf ein sehr geringes Maß gefaltet werden. Das ist beim Transport im Auto vielleicht wichtig. (Wenngleich Starrrahmenrollis mit abgenommenen Rädern auch recht klein werden können.) Apropos Steifigkeit: Mit einem anständigen Faltrolli wackelst und eierst du beileibe nicht durch die Lande. Ich habe mittlerweile einen super steifen Faltrollstuhl (PRO ACTIV) mit dem ich sehr zufrieden bin.
Leg dich nicht zu schnell auf einen bestimmten Rahmentyp fest, sondern überlege, was dir wichtig ist bzw. welche Anforderungen du wirklich brauchst. Ein Falter ist z. B. nur dann sinnvoll, wenn du ihn tatsächlich zusammenfalten musst (Auto, Wohnung …?).
Tipp 4: Bleibe (werde) selbstständig
Ein Rollstuhl gibt dir ein gehöriges Stück Mobilität zurück. Achte darauf, dass du diese Mobilität selbstständig genießen kannst. Dazu gehört, dass du mit deinem Rollstuhl möglichst alleine zurecht kommst, du ihn selbst antreiben, aufklappen, zusammenstecken, verladen und was weiß ich nicht noch alles kannst. Ich finde es sehr umständlich, wenn du für „einfache Handgriffe“ immer die Hilfe anderer benötigst. Versteh mich nicht falsch. Natürlich ist jede Behinderung anders und ich selbst weiß am besten, das ganz einfache Dinge manchmal unmöglich sind. Was meine ich genau?
Viele Rollstuhl-Hersteller sind kreativ, hier und da innovativ. Sie lassen sich z. B. allerhand einfallen, den Rollstuhl faltbar zu machen, die Fußstützen anzubringen oder den Kippschutz zu entfernen. Schau dir die Methoden genau an und probiere, ob du das einfach hinbekommst. Man sollte meinen, das sei immer irgendwie ganz einfach, ist es jedoch nicht immer. Prüfe wie aufwändig es für dich ist deinen Rollstuhl fahrbereit zu machen.
Tipp 5: Nimm’s leicht!
Das Gewicht deines Rollstuhls ist nicht zu unterschätzen. Wenn du nicht gerade darin sitzt, wird er gerne verstaut, getragen, transportiert. Tu dir und deinen Lieben was Gutes. Außerdem willst du dich im Rolli wendig bewegen können, da ist ein Schwergewicht wenig hilfreich. Natürlich brauchst du das, was für dich passt aber … leicht ist oft irgendwie auch schick. Mit dem Gewicht kannst du übrigens sehr gut beim Kostenträger argumentieren. Vielleicht brauchst du einen sehr leichten Rolli – nichts von der Stange. ? Wenn du den Rolli alleine in das Auto laden musst, spielt das eine große Rolle.
Tipp 6: Überlass die Räder nicht dem Zufall

Verschiedene Räder für unterschiedliche Anforderungen
Zu einem Rollstuhl gehören so selbstverständlich Räder wie der Riesling zu Rheinhessen oder die Haftcreme zu den Dritten. Viele Rolli-Novizen machen sich über die Ausführung der Räder deswegen kaum Gedanken. Sie sind ja einfach dran am Rollstuhl.
Der Rolli wird über die Räder angetrieben, gebremst, gelenkt. Dem Greifring kommt dabei eine wichtige Rolle zu. Die Greifringe gibt es in verschiedenen Formen und Beschichtungen. Gummierte Greifreifen sorgen z. B. für eine gute Kraftübertragung aber bergab ebenso für irre verbrannte Handinnenflächen (Handschuhe!), eloxierte Greifreifen sind recht glatt und erfordern ein festes Zugreifen. Lass dir Alternativen zeigen, wenn dir die Kraftübertragung nicht gut gelingt und probiere aus.
Die Lenkräder (die kleinen vorne) sind für den Komfort wichtig. Kleine Rädchen (sehen cool aus) können aus deinem Rolli eine Rappelkiste machen, große Gummiräder (Gegenteil von cool aber nicht hot) sind sehr komfortabel und ein Segen auf Kopfsteinpflaster. Ok, ich rate zu einem Kompromiss.
Reifen – Vollgummi oder Luftreifen? Ich habe keine Erfahrung mit Vollgummi, weiß aber, dass einige Rollifahrer darauf schwören. Können halt nicht kaputt gehen. Es gibt ganz gute pannensichere Pneus aber pannensicher ist ja immer relativ. Mit Luftreifen solltest du schon schauen, wo – oder besser über was – du fährst.
Damit die Reifen zum Gesamtkunstwerk passen, solltest du die Reifenfarbe berücksichtigen. Was nützt es, wenn du dir zum Beispiel einen schicken schwarzen Rolli ausgesucht hast und hellgraue Reifen dazu bekommst.

Greifreifen – Gummi beschichtet und schwarz eloxiert
Tipp 7: Zweckmäßige Fußstütze
Es gibt so viele Ausführungen für die Unterstützung deiner Füße: einteilig, zweiteilig, klappbar, schwenkbar, abnehmbar, drehbar, faltbar … Informiere dich und probiere aus.
Wirklich wichtig ist, dass deine Füße ordentlichen Halt haben. Es ist nervig, machmal auch schmerzhaft, wenn deine Füße auf holpriger Strecke vom Fußbrett rutschen. Achte auch darauf, dass dich die Fußstützen beim Transfer (Umsetzen, Aufstehen …) nicht stören. Außerdem können Fußstützen ganz schön ausladend sein. Das wird möglicherweise relevant, wenn du den Rolli im Auto mitnehmen willst. Hier kommt es manchmal auf Zentimeter an.
Tipp 8: Sitzkissen sorgt für Ausdauer
Je mehr Zeit du im Rolli verbringst, um so wichtiger wird die Qualität des Sitzkissens. Wenn du nicht explizit ein hochwertiges Sitzkissen bestellst, bekommst du ein vielleicht 3 cm-Schaumstoffkissen. Das kann durchaus ausreichend sein, wenn du den Rolli nur kurz mal brauchst. Verbringst du aber Stunden oder den ganzen Tag im Rolli, kommst du ohne ein gutes Kissen definitiv nicht aus.
Das Kissen wird oft unterschätzt. Wer schon auf einem Billig-Schaumstoff gesessen hat, weiß wie nervig und schmerzhaft das ist. Geh keinen Kompromiss ein! Dein Sitzkissen muss einfach viele Aufgaben erfüllen, zum Beispiel
- Stabilität und Halt geben
- Wärme und Feuchtigkeit abführen
- Fehlhaltungen vermeiden oder korrigieren
- Dekubitus-Vorbeugung (Druckwunden vermeiden)
Lass dir also nicht irgendein Kissen andrehen, sondern probiere aus. Benötigst du vielleicht ein stark tailliertes Kissen in dem deine Beine geführt werden und Halt haben? Lass dir welche geben, probiere aus und entscheide dich für das passende.
Tipp 9: Hilfe für Antriebsschwache
Die Elektromobilität macht auch vor Aktiv-Rollis nicht halt. Gott sei Dank! Es gibt Radnaben-Antriebe die dich beim Antreiben der Räder unterstützen, wenn deine Kraft nicht ausreicht. Wenn du mit einem solchen Antrieb liebäugelst, solltest du das bei der Rolli-Auswahl berücksichtigen. Kläre, ob der Rollstuhl für den Antrieb geeignet ist. Die Fa. Alber aus Albstadt stellt die recht weit verbreiteten E-Motion-Räder oder die neuen Twion (Hingucker!) her. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass sie mich auf vielen meiner Reisen begleitet haben und mich wirklich unabhängig machen. Ob ein solcher Antrieb für dich in Frage kommt, solltest du im Rahmen der Versorgung klären.
Tipp 10: Zubehör? Nur wenn’s wirklich hilft.

Armauflagen als Zubehör
Nimm das, was du unbedingt brauchst. Rollstühle sind oft so konstruiert, dass jede Menge zusätzliches Equipment angebracht werden kann: Armlehnen, Gehstock-Halter, Speichenschutz, Werkzeugtasche …
Zubehörteile machen den Rolli schwer und behindern dich nicht selten dabei, mit dem Rolli wendig und flott zu fahren. Wenn du auf bestimmte Dinge nicht verzichten kannst, erübrigt sich die Diskussion, denk aber darüber nach. Hier und da verfallen Reha-Fachberater in einen Ausstattungswahn, der aus einem Aktivrolli einen behäbigen Fahrapparat macht.
Sag JA! zu deinem Rolli – Fazit
Bei allen Tipps, kommt das Wichtigste zum Schluss. Such dir etwas aus, das dir gefällt, zu dir passt und zu dem du von Herzen JA ? sagen kannst. Entscheide dich für einen Stuhl, mit dem du dich gerne zeigst. Kostenträger machen zwar für optischen Schnick-Schnack in der Regel kein Geld locker aber für die allermeisten Features gibt es eindeutige medizinische Gründe. Ich wünsche dir, dass du mit deinem Rolli zu neuer Mobilität und Stärke kommst. Hau rein!
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