von Christof (HandiCapt.) | Nov. 12, 2017 | Orient, Reisen
[responsivevoice_button voice=“Deutsch Female“ buttontext=“Beitrag anhören“]Wieder Schiff, wieder AIDA, diesmal Orient. Zunächst per Nachtflug mit Etihad entspannt von Frankfurt nach Abu Dhabi. Bordrollstuhl, freundliche Flugbegleitung. Essen komisch aber lecker. Im Flugzeug schmeckt ja alles irgendwie, sogar Tomatensaft. → Flugreisen mit Rollstuhl
Das kuschelige Etihad-Kopfkissen, die Wolldecke und nicht zuletzt das eintönige Brummen der Rolls-Royce-Triebwerke des Airbus A333 hatten mich in eine tiefe Trance versetzt. Jetzt werde ich kurz vor einem sagenhaften Sonnenaufgang über der Wüste wach. Der Himmel im tiefsten Schwarzbau, die Erde zunächst dunkelrot, später organge. So also sieht der Orient aus, wenn er sich den Schlaf aus den Augen reibt.
Landung um 6:20 Uhr bei 24 °C. Jacke und Pulli sind im Rucksack verstaut. Mit dem Taxi geht es zum Port Zayed, dem Hafen der nach Scheich Zayed bin Sultan Al Nahyan (Präsident der Vereinigten Arabischen Emirate von 1971-2004) benannt ist.
9:15 Uhr ausgiebiges Frühstück auf der AIDAstella, danach Koffer auspacken und alle Viere von sich strecken. Die Rollstuhlkabine ist geräumig und ich komme bestens darin klar. Die Türen sind breiter und das Bad befahrbar. Leider verfügen nur die neuen Schiffe (AIDAprima, AIDAperla, AIDAnova) über barrierefreie Balkonkabinen.

Früh morgens im Port Zayed

An Bord der AIDAstella im Hafen von Abu Dhabi
Wo immer es geht, mache ich Ausflüge auf eigene Faust. Mir ist es unangenehm mit einer riesigen Gruppe unterwegs zu sein und von einem übermotivierten Reiseleiter dauerbeschallt zu werden, deutschsprachig versteht sich. Da lobe ich mir einen informativen schweigsamen Buch-Reiseführer und ein geräumiges Taxi. Einen Bus kann ich ohnehin nicht besteigen. Bisher habe ich nur richtig positive Erfahrungen mit individuellen Taxi-Touren gemacht und aus erster Hand jede Menge über Land und Leute gelernt. Findet sich der ein oder andere Mitfahrer, wird jede Tour zum Schnäppchen.

Der Taxifahrer bringt dich zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt. Steigst du aus, begleitet er dich oder wartet geduldig. Kosten ca. 30-40 Euro pro Stunde.
Zu viert machen wir es uns in Abdallahs großen Van bequem und brechen zu einer Tour durch das nächtliche Abu Dhabi auf. Den Preis verhandeln wir vor Fahrtantritt in Euro und es zeigt sich, dass sich Handeln grundsätzlich immer lohnt. Schnell sind mal 20 Euro gespart. Das nächtliche Abu Dhabi ist bunt illuminiert und wechselt alle paar Sekunden die Farbe. Überall changiert gerade irgendwas von blau nach grün oder rot. Wie kamen wir in Europa nur auf die langweilige Idee unsere Wahrzeichen weiß-gelb anzustrahlen?

Das nächtliche Abu Dhabi ist blau, grün und rot – in dieser Reihenfolge.

Emirates Palace Gate – Das Tor zum Palast
Wir befahren die großzügige Anlage des Hotels Emirate Palace und als Abdallah den Wagen schließlich vor dem gewaltigen Portal hält, werden uns die Türen geöffnet. Gerade so, als seien wir erwartet worden. Leck mich am Arsch, ich bin beeindruckt. Das erste Mal überhaupt befinde ich mich in einem Palast, der sich seine Bezeichnung verdient hat und erlebe einen dieser Kneif-mich-Momente für die ich das Reisen so sehr liebe.
Das staatliche Emirates Palace Hotel gilt als eines der eines der luxuriösesten Hotels der Welt und wird von der Hotelkette Kempinski geführt.

Der Emirates Palace

5-Sterne Luxus – Hotel Kempinski Emirates Palace

Gemälde von Sheikh Zayed bin Sultan Al Nahyan und Sheikh Khalifa bin Zayed Al Nahyan, dem Präsidenten der Vereinigten Arabischen Emirate.
Abdallah hatte in seinem Taxi etwas Abseits geduldig gewartet bis alles bestaunt, bewundert und fotografiert war. Nun sind wir auf dem Weg zur Scheich-Zayid-Moschee. Es geht auf der vielspurigen, kilometerlangen Al-Khaleej-Al-Arab-Straße Richtung Süd-Ost. Die Moschee hat 82 Kuppeln und die gesamte Anlage ist von einer unglaublichen Schönheit. Besonders jetzt, wo alles so prächtig erstrahlt. Kneif mich mal.

Die Scheich-Zayid-Moschee – kneif mich mal.
Abdallah parkt seinen Van etwas umständlich auf dem riesigen Parkplatz direkt hinter der Landebahn 31 des Flugplatzes Al Bateen und schickt uns zum Eingang. Ein freundlicher Herr im Kaftan öffnet mir ein kleines gusseisernes Tor und zeigt mir einen stufenlosen Weg zur Moschee. Die Frauen bekommen zum Besuch der Moschee ausgeblichene braune Gewänder ausgehändigt. Umberto Ecos „Der Name der Rose“ kommt mir in den Sinn. Komisch, aber die Kapuzen-Gewänder macht unseren besuch irgendwie würdevoller.

Die Scheich-Zayid-Moschee verfügt über 82 Kuppeln.

Zweck der Kreuzfahrerei ist es ja möglichst viele Destinationen in kurzer Zeit zu erreichen. Wobei natürlich immer auch der Weg das Ziel ist. So habe ich mir ein schönes Plätzchen an der Reling gesucht und lasse mir bei der Ausfahrt aus dem Port Zayed einen fruchtigen Cocktail schmecken. Vorbei am gerade eröffneten Louvre Abu Dhabi. Auf nach Bahrain!

Louvre Abi Dhabi – Ein Museum der Superlative
Sonnenuntergänge auf See haben etwas Spektakuläres und verbreiten gleichsam eine andächtige Stille. Der ins Meer eintauchende glutrote Ball, befriedigt mich eigentümlich und weckt doch Sehnsüchte. Hach, nun bin ich wieder infiziert vom Kreuzfahrtvirus. Schlimm sowas!

Sonnenuntergang im Persischen Golf
Ausblick
Es geht nach Bahrain, dem Königreich aus 33 Inseln in einer Bucht in Persischen Golf zwischen Saudi Arabien im Westen und Katar im Osten.
Das ist mir wichtig
Als Mensch mit Handicap bist du möglicherweise auf der Suche nach relevanten Informationen, die dir bei der Einschätzung helfen, ob eine Kreuzfahrt für dich empfehlenswert oder machbar ist. In meinen Reiseberichten liest sich vieles sehr schön und unkompliziert. Und ja, es gibt im Internet viele enthusiastische Schilderungen von Rollstuhlfahrern auf See. Nun ist Mensch nicht gleich Mensch und Rollstuhl nicht gleich Rollstuhl. Kurz vor Weihnachten publiziere ich ein Kreuzfahrt-Rollstuhl-Spezial, das viele Fragen beantwortet. So bekommst du eine recht genaue Vorstellung von dem, was dich an Bord erwartet.
von Christof (HandiCapt.) | Sep. 6, 2017 | Deutschland, Reisen
[responsivevoice_button voice=“Deutsch Female“ buttontext=“Beitrag anhören“] Neulich erzählte mir ein lieber Kollege, er wolle zur Sommerfrische an den Bodensee reisen. Dabei fiel mir auf, das ich selbst bisher noch nie dort war. Das, was ich bisher gesehen hatte vom Bodensee, beschränkte sich auf diese komischen Autoaufkleber, von denen ich Jahrzehnte lang glaubte, es sei ein Taucher. Oder mal einen mittelprächtigen Tatort, wo die Schauspieler merkwürdig gequält sprachen.
Also packten wir unsere Sachen und verbrachten ein paar Tage in Konstanz. Um es gleich vorweg zu nehmen: nachahmenswert! Wir quartierten uns im ibis-Hotel am Benediktinerplatz 9 ein. Das Hotel ist recht modern und verfügt über vier rollstuhlgerechte Zimmer. Nicht irgendwie pseudo-barrierefrei sondern so, wie es sein soll. Ich weiß, wovon ich rede.
Das Hotel liegt zentral. Zur Altstadt geht es nur ein Stück die Spanierstraße entlang und dann rechts über die Konzilstraße (Brücke). Zur Seestraße, einer herrlichen Promenade, geht es einfach geradeaus durch eine Unterführung.
Wem Abends der Magen knurrt, ist im Constanzer Wirtshaus bestens aufgehoben. Das Restaurant mit sagenhaftem Biergarten ist nur ein Steinwurf vom ibis entfernt und serviert (neben anderen Köstlichkeiten) typische Wirtshaus-Gerichte. Ich selbst hatte das Vergnügen mit einer Schweinshaxe und einem Schwäbischen Zwiebelrostbraten.
Apropos Köstlichkeiten: Feinschmeckern mit süßem Gaumen, lege ich die Filiale des Chocolatier Läderach am Obermarkt 4 ans Herz. Schweizer Schokolade, herrlich anzusehen und noch herrlicher zu probieren. Suchtfaktor 10!
Für Bodensee-Reisende gehört die Insel Mainau zum Pflichtprogramm. Mit Schiffen der BSB (Bodensee Schiffsbetriebe) geht es praktisch ohne Wellengang zur Insel. Sämtliche Schiffe sind barrierefrei und man gelangt mit dem Rolli ganz gut an und von Bord. Schiffspassage und Eintritt für die Mainau sind für die Begleitperson frei.
Die Mainau ist durchaus sehenswert, Augenschmeicheleien bieten sich an jeder Ecke. Auch Nicht-Botaniker wie ich kommen durchaus auf ihre Kosten.
Ausgewiesene Wege sind barrierefrei und mit dem Rolli gut machbar. Hier und da sind Wege mit feinkörnigem Schotter belegt aber dennoch gut befahrbar.
Von der Mainau hatte ich zwar schon mal ein paar Bilder im TV gesehen, mir aber weiter nichts vorgestellt. Außer, dass alles wunderschön ist.
Überrascht war ich jedoch von den vielen Besuchern, die massenweise über die Insel pilgern. Da bietet die Mainau so viele tolle Plätzchen und nie bist du für dich um die Umgebung so richtig genießen zu können.
Alles in Allem: Konstanz ist eine sehenswerte Stadt mit tollem Flair und beim Anblick des Bodensees bekommst du wunderbare Urlaubsgefühle. Versprochen.





von Christof (HandiCapt.) | März 19, 2017 | Amerika, Reisen
[responsivevoice_button voice=“Deutsch Female“ buttontext=“anhören“]New York City. Ich habe bisher nichts vergleichbares gesehen, gespürt, erlebt. Eine Stadt mit der Dynamik eines Ameisenhaufens jedoch weit entfernt von Gleichheit, Tristesse oder Routine. Sirenen von Polizei oder Feuerwehr machen eine Kirmes, die du sonst nur aus Kinofilmen kennst.
Mit dem Rollstuhl stehst du nicht irgendwie abseits, sondern bist Teil des Ganzen. Wenn du wissen willst, wie sich Barrierefreiheit anfühlt, mach dich auf und bereise die USA. Hier ist der beknackte Praktika-Slogan „Geht nicht, gib’s nicht!“ keine Floskel. Rollst du auf eine verschlossene Tür zu, wird sie dir von wildfremden Menschen geöffnet. Du findest Rampen und Lifte an Stellen, wo du sie niemals vermutet hättest und ständig hörst du „sorry“, weil jemand glaubt, er versperre dir den Weg. Mein Gott, was für ein geiles Mindset!

Vor ein paar Jahren habe ich mich Hals über Kopf in diesen schreienden Moloch verliebt. Menschen aus allen Herren Ländern, die ihren Träumen und Visionen nachrennen, ihre Geschichte hinter sich lassen und neu beginnen. Auch wenn du nicht auf der Suche nach Input bist, diese Stadt inspiriert dich, macht was mit dir. Ob du willst oder nicht, weiß nicht warum. Es gibt so irre viel zu entdecken und immer freut sich jemand, dass gerade du in diesem Moment da bist. Du mit deinem Rollstuhl, dem jetzt der beste Service zuteil wird.

Ich mag es, mich durch die Straßen dieser Kirmes treiben zu lassen. Durch die eigentümliche Thermik der Häuserschluchten, durch den Qualm angebrannter Hot-Dogs und durch Schwaden aufgeschnappter Wortfetzen, die fremden Smartphones gelten.




von Christof (HandiCapt.) | März 5, 2017 | Europa, Reisen

San Pietro – Der Petersdom
[responsivevoice_button voice=“Deutsch Female“ buttontext=“Blogpost anhören“]Als Rom erbaut wurde, hatten Rollstühle noch viereckige Räder … Im Ernst, wer sich mit Rom beschäftigt, gelangt ganz schnell an die Frage, wie barrierefrei Rom ist und ob die Städtetour ein Abenteuerurlaub der besonderen Art werden könnte. Dieser Blogpost ist also interessant für alle, die sich demnächst mit dem Rollstuhl in Rom bewegen möchten oder – ausdrücklich empfohlen – wer diese tolle Stadt schon mal bereist hat, in netten Erinnerungen schwelgen möchte und einfach ein paar schöne Bilder ansehen möchte ?.
Rom ist eine der beeindruckendsten Städte in der wir je gewesen sind. Und weil es so wahnsinnig viel zu sehen gibt, komplett untauglich für einen Schnelldurchgang. Wir hatten uns für fünf Tage im NH-Hotel eingebucht und von dort aus unsere Unternehmungen gestartet. Das Hotel ist gut und liegt sehr zentral. Es hat aus meiner Sicht jedoch auch ein paar Schwächen: Frühstücksraum nur eingeschränkt barrierefrei, Bad ansatzweise barrierefrei aber nicht wirklich Rollstuhlgerecht …

Das Kolosseum
Mit dem Rollstuhl präsentierte sich Rom in einer Weise, wie ich es nicht vermutet hätte. Viele Sehenswürdigkeiten verfügen über einen Lift und die Menschen vor Ort geleiten dich voller Stolz dorthin:
- In der Engelsburg gelangt man mit einem Aufzug nach oben und findet dort einen tollen Rundgang, teilweise ähnlich einem Laubengang vor. Dort befindet sich auch ein kleines Restaurant in dem man es sich bei einer tollen Aussicht gut gehen lassen kann, äh … sollte!
- Monumento Nazionale a Vittorio Emanuele II, im Volksmund die Schreibmaschine, hat auf der rechten Gebäudeseite einen Aufzug. Von der tollen Terrasse auf dem Gebäude hat man einen sagenhaften Blick über die Stadt.
- Das Kolosseum ist das größte antike Amphitheater und verfügt ebenso über einen Lift. Als Rollstuhl-Fahrer kannst du so die eigentümliche Atmosphäre – eine Mischung aus Bedrückung und Spektakel – spürbar erleben.
- Beindruckende, mit einer Holzvertäfelung ausgestatteten Aufzüge finden sich in den Vatikanischen Museen. Von dort aus gelangt man mit einem Plattform-Treppenlift in die Sixtinische Kapelle.
- Das Forum Romanum ist das älteste römische Forum und war Mittelpunkt des politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und religiösen Lebens. Es führt ein recht steiler Weg dort hinunter (und wieder hoch!) und ist im Rollstuhl mit Hilfe ganz gut machbar. Bei E-Rollis bin ich mir unsicher, da kenne ich mich nicht so gut aus.
- Der Petersdom und das Pantheon sind stufenlos erreichbar.
- Die Spanische Treppe könnte einen Treppenlift ganz gut vertragen 🙂
Viele Gassen Roms sind uralt und entsprechend rustikal. Sich hier aktiv mit dem Rollstuhl fortzubewegen ist sportlich. Ich hatte meine eMotion-Räder von Alber mit und kam damit wirklich ganz gut zurecht. Erst am vierten Tag in der Heiligen Stadt entdeckte ich einen weiteren Rollstuhl-Fahrer. Offensichtlich ein Einheimischer mit Kenntnis der örtlichen Straßenbeschaffenheit, sein Rollstuhl war mit Off-Road-Rädern ausgestattet. Bis dahin war mir tatsächlich niemand im Rollstuhl aufgefallen.
Rom im Rollstuhl ist machbar, mit Hilfe sowieso. Die meisten Sehenswürdigkeiten liegen nah zusammen und wenn du dich einmal orientiert hast, findest du Wege, die besonders gut mit dem Rollstuhl zu machen sind. Bis dahin, sagen wir die ersten zwei Tage, können extrem nervend sein. Obwohl wir Großstädte lieben und wir uns immer schnell zurechtfinden, ist der Stadtplan von Rom eine echte Herausforderung. Bordsteine scheinen oft zufällig abgesenkt zu sein und wenn du bei der schellen Straßenüberquerung plötzlich vor einer 20 cm Steinkante stehst und hinter dir die Autos und Motorroller vorbei pesen, schreist du SCHEISSE! Versprochen. Atme flach ein, langsam und anhaltend aus. Halte durch, du wirst belohnt! Spätestens wenn du abends bei bei lauen Temperaturen mit einem Glas Chianti und leckerem Essen am Piazza Navona oder Piazza del Popolo verweilst. Gute Reise!

Scalinata di Trinità dei Monti – Die Spanische Treppe

Il Vittoriano – Die Schreibmaschine

San Pietro – Der Petersdom

Castel Sant’Angelo – In der Engelsburg

Fontana di Trevi – Am Trevi-Brunnen

Roma. Nix wie hin!
von Christof (HandiCapt.) | Feb. 15, 2017 | Sichtweise

[responsivevoice_button voice=“Deutsch Female“ buttontext=“>> Blogpost anhören“]
Schwäbische Provinz, 20 Uhr. Nach dreistündiger Anreise stehe ich mit einer Reservierungsbestätigung für ein barrierefreies Zimmer an der Hotel-Rezi, als mir die verwunderte, peinlich berührte Spätschicht erklärt, das Haus verfüge über keines solcher Zimmer. Uff!! Wie sagt man immer so schön: Das hatte ich auch noch nicht!
Was war passiert? Vermutlich hatte mir eine sehr freundliche aber ahnungslose Aushilfe ein Zimmer bestätigt, das es gar nicht gibt. Und weil Behinderung nicht gleich Behinderung ist, hat das in der Vergangenheit wahrscheinlich auch mal funktioniert. Muss ja nicht gleich ein Rollstuhlfahrer kommen, der wirklich behindert ist.
Wer hier und da mit Hotels zu tun hat, weiß wie es um die Barrierefreiheit 2017 in Deutschland bestellt ist: sehr arm!
(Besagtes Hotel verfügt übrigens über 163 (!) Zimmer – keines davon barrierefrei.)
Zuhause ist natürlich auch nicht immer alles barrierefrei aber man kennt sich aus und kann sich arrangieren. Das Programmkino legt eine Rampe über sie beiden Stufen am Eingang oder beim Italiener kannst du über die Terrasse rein. So ist vieles machbar.
Hotelbetriebe könnten mit gutem Beispiel vorangehen. Lösungen anbieten statt immer nur auf Probleme zu verweisen: Altbau, zu teuer, kein Bedarf … Das Argument kein Bedarf ist an Hohn kaum zu überbieten.
Vor allem sollten sich Hoteliers endlich ernsthaft mit der Thematik Barrierefreiheit auseinander setzen und ihre Angestellten anständig briefen. Als Hotelgast mit Behinderung treffe ich flächendeckend auf eine fundierte Ahnungslosigkeit. Was habe ich nicht schon alles von der beherbergenden Zunft gehört? Hier die Top 5 der ahnungslosesten Antworten:
5 – Unser Haus ist nicht so richtig behindertengerecht aber andere Rollofahrer (Rollo!) haben sich bei uns schon sehr wohl gefühlt.
4 – Das Zimmer ist sehr wohl behindertengerecht – nur nicht für Rollstuhlfahrer.
3 – Ach, Sie benötigen einen Aufzug? Wir haben zwar einen Lift, der ist aber meistens defekt. Könnten Sie im Notfall auch die Treppe benutzen?
2 – Bei uns ist alles barrierefrei. Am Eingang ist eine 15 cm hohe Stufe, wenn Sie Probleme haben helfen wir gerne, es kommt dann jemand raus.
1 – Äh … barrierewas?
Ok, es gibt auch wirklich richtig gute barrierefreie Hotels. Häuser, in denen du dich einfach wohl fühlst. So, wie es für alle Gäste ohne Behinderung grundsätzlich üblich ist. Aber machen wir uns nichts vor, das sind immer noch Ausnahmen. Viele Gaststätten- und Hotels ignorieren die Belange behinderter Gäste weitgehend.
Können wir etwas tun? Jaaa! Unbequem sein, nachfragen und Menschen sensibilisieren. Starte in einem nicht barrierefreien Hotel/Restaurant eine Terminanfrage: Samstag im Mai, Familienfeier ca. 80 Personen, Abendessen, ca. 8-10 Übernachtungen. Frage ob ein Rollstuhlfahrer zurecht kommen würde: Ebenerdiger Eingang, Rollstuhl-Toilette, barrierefreies Zimmer…
Oh, nicht ganz barrierefrei? Das ist aber schade. Hm, dann muss ich mich leider anderweitig umsehen. So Schade …
Barrierefreiheit 2017 in Deutschland. Das unsägliche Bundesteilhabegesetz (und die teilweise absurde Debatte darum) hat verdeutlicht, wie weit politische Entscheidungsträger von der Lebenswirklichkeit der Betroffenen entfernt sind. Wer ernsthaft glaubt, diese soziale Bankrotterklärung sei die Umsetzung der (sechs Jahre alten) UN-Behindertenrechtskonvention in nationales Recht, macht sich lächerlich. Zum Kotzen lächerlich!